Eigenheimträume platzen, nicht aber die Immobilienblase

von Martin Neff

Durch das langanhaltende Tiefzinsumfeld hat sich der Schweizer Wohneigentumsmarkt grundlegend gewandelt.

Die aktuelle Studie «Der ausgeträumte Traum der eigenen vier Wände» von Raiffeisen Economic Research zeigt: Der seit den 1990er-Jahren anhaltende Schweizer Wohneigentumsboom ist zu Ende. Bereits seit 20 Jahren steigen die Eigenheimpreise, die Wohneigentumsquote geht jedoch mittlerweile zurück. Während Immobilienbesitzerinnen und -besitzer von tiefen Wohnkosten und hohen Wertsteigerungen profitieren, werden immer breitere Gesellschaftsschichten vom Eigenheimmarkt ausgeschlossen. Die gute Nachricht: Da die Preise nicht von Spekulationen angetrieben werden, wird die Immobilienblase nicht platzen.

Bis Mitte des letzten Jahrzehnts stiegen in der Schweiz nicht nur die Eigenheimpreise jahrelang, auch die Eigentumsquote nahm stetig zu. Mittlerweile hat sich der Wohneigentumsmarkt durch die Auswirkungen des langanhaltenden Tiefzinsumfelds jedoch deutlich gewandelt: Zwar steigen die Immobilienpreise noch immer, im völlig ausgetrockneten Markt verbauen die extrem hohen Preise und die hohen regulatorischen Hürden der grossen Mehrheit der Schweizer heute aber den Traum der eigenen vier Wände. Daher boomen am Eigenheimmarkt heute nur noch die Preise.

Zu Beginn der 1990er-Jahre wurde die Schweiz durch das Platzen einer Immobilienblase in eine lange und tiefe Rezession gestürzt. Nach schmerzhaften Strukturreformen im Bank-, Bau- und Immobilienwesen setzte kurz vor der Jahrtausendwende dann ein regelrechter Wohneigentumsboom ein. Ein beachtliches Wirtschaftswachstum, eine starke Zuwanderung
und die Eigentumsfähigkeit breiter Bevölkerungsschichten schickten die Immobilienpreise auf einen beispiellosen Wachstumskurs. Selbst die Wirtschafts- und Finanzkrisen zu Beginn des neuen Jahrtausends konnten der Preisentwicklung nichts anhaben. Immer tiefere Finanzierungskosten trieben dabei die Nachfrage. Selbst mehrere regulatorische Eingriffe konnten dem nicht entgegenwirken. Bis heute wird der anhaltende Preisschub durch ein immer knapper werdendes Angebot zusätzlich befeuert. Selbst während der Corona-Pandemie zeigen sich die Eigenheimpreise völlig unbeeindruckt von den historisch einmaligen ökonomischen und gesellschaftlichen Verwerfungen.

Weshalb die Blase nicht platzen wird
Die jahrelange ultraexpansive Geldpolitik der Zentralbanken hat damit auch am Schweizer Immobilienmarkt ihre Spuren hinterlassen. Im Umfeld von bereits stark aufgeblähten Vermögenspreisen steigen auch die Eigenheimpreise immer weiter. In der öffentlichen Debatte wird dies gerne zum Anlass genommen, das baldige Platzen einer Immobilienblase
heraufzubeschwören. Allerdings sagt das absolute Preisniveau isoliert betrachtet wenig über den Zustand und allfällige Gefahren am Markt aus. Eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst die Preisentwicklung und es bestehen komplexe Wechselwirkungen mit anderen Märkten, die die Entwicklung deutlich relativieren.

So haben in den vergangenen 20 Jahren nicht nur die Immobilienpreise zugelegt, sondern auch das Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum. Immer mehr Menschen brauchen in der Schweiz immer mehr Wohnraum – und das am liebsten in Form von Eigentum. Die durch tiefe Finanzierungskosten befeuerte und primär durch Selbstnutzer getriebene Nachfrage steht einem äusserst knappen Angebot gegenüber. Dass im herrschenden Anlagenotstand auf den wenigen Baulandparzellen vor allem Mietwohnungen gebaut werden, verschärft die Knappheit weiter. Das herrschende Preisniveau und die starke Aufwärtsdynamik sind jedoch noch immer fundamental begründbar und werden nicht durch Spekulation getrieben. Auch wenn der Eigenheimmarkt mittlerweile stark aufgebläht ist, wird diese Blase deshalb nicht platzen.

Wohlhabende profitieren, der Mittelstand verliert
Nach 20 Jahren ungebremster Preissteigerungen ist der Eigenheimtraum für breite Bevölkerungsschichten heute also ausgeträumt. Die meisten Haushalte können die mit den Preisen stark gewachsenen Finanzierungshürden aus eigener Kraft nicht mehr überwinden. Vor allem die kalkulatorische Tragbarkeit erlaubt faktisch nur noch sehr einkommensstarken Haushalten eine Eigenheimfinanzierung. Wer nicht bereits über viel Kapital verfügt oder über Erbschaften an solches gelangen kann, hat kaum realistische Aussichten, heute noch Eigentümer zu werden. Eine sich wandelnde Eigentümerstruktur und immer sichtbarere Ausweicheffekte zu weniger attraktiven Objekten und Lagen sind die Folge dieser Entwicklung. Während bestehende Immobilienbesitzer und wohlhabende Haushalte stark von den Entwicklungen am Immobilienmarkt profitieren, werden grosse Teile der Schweizer Gesellschaft heute von diesem Markt ausgeschlossen. Jüngere und weniger wohlhabende Haushalte können somit nicht von den deutlich tieferen Wohnkosten und potenziellen Wertsteigerungen, die der Eigenheimbesitz ermöglicht, profitieren. Die Folge: Die herrschende Eigenheimmarktregulierung sorgt heute für einen verstärkten Vermögenstransfer von Ungebildet zu Gebildet, von Jung zu Alt sowie von Arm zu Reich.

Der Wohneigentumsboom ist zu Ende
Während die Preisentwicklung am Eigenheimmarkt ungebremst anhält, zeigen sich andernorts mittlerweile deutliche Anzeichen dafür, dass der langanhaltende Wohneigentumsboom in der Schweiz zu Ende ist. So schränken die hohen Preise und regulatorischen Hürden das Eigentümerpotenzial mittlerweile massiv ein. Gleichzeitig sind zum Kauf verfügbare Objekte sehr rar und im harten Konkurrenzkampf um das knappe Bauland werden kaum neue Eigentumsobjekte gebaut. Der mittelständische Eigenheimtraum ist somit Opfer einer ultraexpansiven Geldpolitik, einer restriktiven Raumplanung und des herrschenden regulatorischen Umfelds geworden. Eine seit einigen Jahren wieder sinkende Eigentumsquote ist die Folge dieser Entwicklung.

An dieser gesellschaftlich unbefriedigenden Situation wird sich so rasch nichts ändern. Die anhaltend tiefen Zinsen werden auch künftig dafür sorgen, dass die wenigen zum Verkauf stehenden Eigentumsobjekte regen Absatz finden. Selbst eine mögliche Angebotszunahme durch vermehrt verkaufswillige Babyboomer dürfte nur zu einer marginalen Marktentspannung führen. Daher ist – angesichts der unerwünschten gesellschaftlichen Nebenwirkungen dieser Entwicklung – eine offene, unvoreingenommene öffentliche Diskussion über die Zukunft des Schweizer Wohneigentums dringend angesagt. Ohne starken politischen Willen und die Akzeptanz gewisser systemischer Risiken und gesellschaftlicher Kosten werden sich die aktuellen Entwicklungen ungebremst fortsetzen und Wohneigentum wird noch mehr zum Privileg.

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