Innovativ bleiben und Verantwortung leben

Interview mit Christophe Gence von Georg Lutz

In Zeiten, in denen der Klimawandel an unsere Türen klopft, gilt es auch für Abfallentsorger, sich neuen Herausforderungen zu stellen. Diese lassen sich mit dem Stichwort Kreislaufwirtschaft gut auf den Punkt bringen. Gleichzeitig nehmen aber die alten Abfallberge nicht ab. So hat jeder den steigenden Verpackungsmüll in Zeiten der Pandemie erlebt.

Seit 1896 steht der Name Lottner im Raum Basel für Abfall­entsorgung und Wiederverwertung. Im folgenden Interview werfen wir mit Christophe Gence, dem CEO und VR-Delegierten bei Paprec Schweiz, einige Blicke auf die Geschichte des Unternehmens und thematisieren dann die heutigen Aufgaben und die Unternehmensphilosophie.

Christophe Gence ist CEO und VR-Delegierter bei Paprec Schweiz.

«Geschäftsführer»: Wie sah die Arbeit zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts in der Abfallentsorgung aus?
Christophe Gence: 1896 hat Robert Lottner die Firma Lottner in Basel gegründet. Er war damals ein Visionär im Recycling von Papier, Karton, Textilien und Metallen. Denn Recycling war damals ein wenig bekanntes Thema. Umso beachtlicher ist es, dass sich daraus durch zahlreiche Firmengründungen und Übernahmen in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts schliesslich die erfolgreiche Unternehmensgruppe Paprec Schweiz mit neun Gesellschaften entwickelt hat. So gehören heute neben der Lottner AG acht weitere Spezialunternehmen im Bereich Recycling, Rohstoffhandel und Akten- und Datenvernichtung dazu.

Vor fünfzig Jahren sonnten wir uns im Wirtschaftswunder. Abfall war lästig, die Abfallberge wurden immer höher, sie haben uns im Alltag aber nicht beschäftigt. Wie stellten sich die damaligen Verantwortlichen dieser Situation?
Tatsächlich stellen wir heute einen grossen Wandel in der Gesellschaft und in der Industrie fest. Die Sensibilität für Recycling und ressourcenschonende Aufbereitung von Wertstoffen ist grösser geworden. Auf der anderen Seite stellen wir aber auch ein hohes Mass an Konsum fest. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch in der aktuellen Gesundheitskrise. Mit dem rasant wachsenden Onlineboom kam auch eine Verpackungshausse. Die Schachtel, in der beispielsweise neue Kleidung, Gartenutensilien oder Wein angeliefert werden, besteht ebenfalls aus Recyclingpapier und führt schliesslich unter anderem dazu, dass Altpapier ein immer knapperes Gut wird.

Trotzdem leben wir in einer ganz anderen Zeit. In Ihrer Branche geht es um Nachhaltigkeit, Recycling, ja auch schon in Teilen um Kreislaufwirtschaft. Das sind viel anspruchsvollere Aufgaben. Können Sie diese kurz skizzieren?
Wir betreiben Recycling nicht nur als erfolgreiches Geschäftsmodell, sondern vor allem als gelebte Verantwortung gegenüber unserer Gesellschaft und der Natur. Diesen Anspruch dokumentieren wir übrigens auch konsequent mit unserem Logo: eine Weltkugel mit den Gesichtern einer Mutter und eines Kindes. In unserer täglichen Arbeit geht es darum, verantwortungsbewusst mit den Ressourcen umzugehen und zwar über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts – also von der Gewinnung der Rohstoffe bis hin zu Entsorgung, Recycling und Wiederbenutzung. So rezykliert beispielsweise die Paprec Gruppe 16 Millionen Tonnen Materialien pro Jahr und leistet damit einen enormen Beitrag zur Ressourcenschonung. Dank Innovationen und dem Know-how unserer langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen wir sicher, dies jederzeit in unserer Arbeit zu beachten und sicherzustellen.

Es geht um Differenzierung. Unterschiedliche Materialien müssen ganz anders bearbeitet werden. Spiegelt sich das auch in Ihrem Unternehmensaufbau wider?
Wir konzentrieren uns heute auf drei Geschäftsbereiche: Recycling inklusive Entsorgung, Sammeln, Sortieren für Städte, Kommunen und Industrie, Wiederverwertung und Rohstoffhandel sowie Vernichtung von Akten und Datenträgern. Zudem verwalten wir öffentliche Recyclingparks. Entsprechend sind wir organisiert und aufgebaut, um unseren Kundinnen und Kunden den bestmöglichen Service bieten zu können.

Wer heute Abfall entsorgt und bearbeitet, braucht Qualifikationen und Zertifikate. Wie sehen diese aus?
In unseren Betrieben arbeiten Menschen mit ganz unterschiedlichen Ausbildungen und unterschiedlichen Herkünften. Dies führt zu einer Bereicherung und dazu, dass wir uns gegenseitig voranbringen. Mit unseren ISO-Zertifizierungen stellen wir sicher, dass wir die notwendigen Qualifikationen erfüllen.

Inzwischen gibt es unter Ihrem Dach beispielsweise Firmen zu Papier und Datenträgervernichtung. Das sind nicht nur andere Branchen und andere Technologien. Vielleicht können Sie uns die Arbeit dieser beiden Beispiele erläutern?
Mit unseren Tochtergesellschaften Reisswolf Aktenvernichtungs AG und DataEx 4000 sind wir heute sehr erfolgreich in der Vernichtung von vertraulichen Datenträgern und Akten unterwegs. Mit Stolz feiern wir in diesem Jahr übrigens das 25-jährige Jubiläum von Reisswolf Schweiz. Wir bieten unseren Kundinnen und Kunden verschiedene Services wie Archivräumungen, Röntgenbildvernichtung oder Datenträgervernichtung an. Als einzige Daten- und Aktenvernichtungsunternehmen verfügen die Unternehmen über die Zertifizierung DIN 66399. Damit gewährleisten wir unseren Kundinnen und Kunden den geforderten Sicherheitsstandard und eine effiziente und zeitsparende Vernichtung vertraulicher Daten und Akten.

Das Thema Kreislaufwirtschaft ist sicher ein spannendes, aber gleichzeitig auch herausforderndes Thema. Können Sie uns ein konkretes Beispiel verraten, an dem Ihr Haus federführend beteiligt ist?
Gerade im Bereich des Kunststoffrecyclings bewegt sich viel. So bieten wir beispielsweise gemeinsam mit Gemeinden Lösungen im Recyceln von Kunststoffabfällen an oder bieten unseren Kundinnen und Kunden spezielle Entsorgungssäcke für das Sammeln von Kunststoffabfällen. Die Kunststoffe werden sodann zu hochwertigem Granulat verarbeitet und in der Industrie wiederverwendet. Dies zeigt, dass viel ökologisches und ökonomisches Potenzial in Kunststoffabfall steckt. Aber auch Papierrecycling ist ein traditionelles Geschäftsfeld von uns. Absaugen, Befördern, Entstauben und Verdichten – mit unseren leistungsfähigsten Sammlungs- und Sortieranlagen hat sich die Paprec Group zu einem der grössten Produzenten von Zellstoff aus recyceltem Papier in Europa entwickelt. Dabei haben wir ein klares Ziel vor Augen: den Papierherstellern auf internationaler Ebene eine einwandfreie Qualität liefern zu können. Dank unserer Sortieranlagen an unseren verschiedenen Standorten bieten wir die unterschiedlichsten Möglichkeiten. Das Ziel ist am Ende, getrenntes Material zu haben.

Welchen Herausforderungen werden Sie sich in den nächsten fünf Jahren stellen müssen?
Wir arbeiten ständig an der Verbesserung unserer Lösungen und adaptieren frühzeitig Marktveränderungen. In den nächsten Jahren wird die bereits begonnene Konsolidierung des Schweizer Marktes noch weiter anhalten. Dabei geht es uns nicht nur um Wachstum, sondern in erster Linie um die zunehmende Schonung unserer natürlichen Ressourcen und Rohstoffe. Die Rohstoffverwertung ist ein essenzielles Thema der Nachhaltigkeit. Aber auch in unseren eigenen Betrieben suchen wir immer weiter nach nachhaltigen Lösungen. So beziehen wir beispielsweise bereits heute Wasserstrom nur aus Schweizer Wasserkraftwerken und investieren in Hybridfahrzeuge. Darüber hinaus werden wir uns weiter diversifizieren und verschiedene Bereiche konsequent stärken. So sichern wir uns eine gewisse Marktunabhängigkeit.

www.paprec.ch