Ist No-Show ein No-Go?

von Fabienne Ballmer-Gerber

Kürzlich berichtete mir ein Bekannter von einer Gebühr, die er im Falle eines unentschuldigten Fernbleibens im Restaurant bezahlen müsste. Seiner Meinung nach sei dies unverschämt und die Wirte seien doch überheblich geworden. Diese Aussage überraschte mich und ich fragte ihn daraufhin, ob er bei einem Nichterscheinen im Flugzeug sein Ticket zurückerstattet erhält – oder bei der SBB oder beim unentschuldigten Fernbleiben eines Arzttermins und so weiter. Interessanterweise wird dies nicht infrage gestellt. Im Gegensatz dazu gibt es in der Gastronomie viele Diskussionen, die sogar die Medienwelt erregen können. Jeder Preisaufschlag oder jede Änderung eines Konzepts landet heutzutage in den Medien und die Gesellschaft kann sich über die Unternehmerstrategie der Gastrounternehmer*innen enervieren. Nun zurück zu der Tischreservierung: Stellen Sie sich vor, Sie führen ein Restaurant mit zehn Tischen à sechs Plätze. Sie haben so viele Anfragen und könnten jeden Tisch locker an einem Samstagabend doppelt verkaufen. Tut man nicht, weil es für die Gäste oft unangenehm ist, und man möchte ja ein gastfreundschaftliches Erlebnis bieten. Da gehört es dazu, dass man sitzen bleiben darf. Aber wenn nun einer dieser Sechsertische unbesetzt bleibt, entspricht das rund zehn Prozent des Umsatzes, welcher verloren geht, und womöglich sind Kosten für Einkauf und Personal entstanden. Was dies alles in der Planung mit sich bringt, kann man sich denken. Jede*r Unternehmer*in würde nach Lösungen suchen oder die Kalkulation überdenken müssen. Eine Alternative zur Gebühr für das Nichterscheinen könnte beispielsweise eine Preiserhöhung sein, also eine Umverteilung auf diejenigen, die gekommen sind oder die Höflichkeit besitzen, sich rechtzeitig abzumelden, damit der Tisch anderweitig genutzt werden kann. Seit der Corona-Pandemie haben sich in unserer Gesellschaft einige Gewohnheiten eingeschlichen, die meiner Meinung nach kein positives Bild zeichnen. Vielleicht sind sie auf die Überforderung oder eine Veränderung zurückzuführen, ich kann es nicht mit Sicherheit sagen. Fakt ist jedoch, dass an vielen Fronten eine gewisse Rücksichtslosigkeit gegenüber Menschen oder Angeboten in der Dienstleistung zu beobachten ist. Es gibt Momente, an denen man meinen könnte, die Menschen an der Front seien Eigentum der Gesellschaft. Aus diesem Grund ist es meiner Ansicht nach vollkommen gerechtfertigt, dass Gastronom*innen bei Reservierungen eine Kreditkarte zur Sicherheit für eine Belastung bei einem «No-Show» hinterlegt haben möchten. Schliesslich kann man in keinem Hotel ohne Gebühren reservieren und dann einfach nicht erscheinen, ohne Konsequenzen zu tragen. Der Preiskampf wird noch intensiver werden, und jede*r Unternehmer*in wird in den kommenden Monaten genauer kalkulieren müssen. Unterdessen verlangen Handwerker für die Erstellung von Angeboten Gebühren, wenn der Auftrag an Dritte geht. Dies ist jedoch nachvollziehbar, da die Arbeit erheblich ist. Doch auch die Erstellung eines Menüangebots oder einer Eventplanung und von Reservierungen erfordert Arbeit. Stellen Sie sich vor, welch ein Aufschrei entstehen würde, wenn die Gastronomiebranche eine Gebühr für ein Angebot zum Geburtstagsessen verlangen würde. Die damit verbundene Arbeit und das Können bei der Menügestaltung werden oft nicht ausreichend gewürdigt. Übrigens gibt es noch einen weiteren Grund, warum leere Plätze eine Tragödie darstellen. Alle sprechen über Lebensmittelverschwendung. Es kann ärgerlich sein, wenn zu viel weggeworfen wird. Gerade beim Nichterscheinen kann dies jedoch einen erheblichen Einfluss haben. Die Gesellschaft verlangt nach frischen Lebensmitteln, was eine gute Einkaufsplanung ohne Tiefkühlprodukte erfordert. Wenn also zehn Prozent der Gäste nicht erscheinen, werden womöglich auch zehn Prozent der Lebensmittel verschwendet. Dies ist nicht nur ein
Umsatzverlust gepaart mit Zusatzkosten für die Gastronom*innen, sondern auch eine Tragödie für unsere Umwelt.

Übrigens: Preispolitik kann die nächsten Jahre einen entscheidenden Faktor für die Gesundheit unserer Gesellschaft sein. Spätestens wenn alles in die Luft springt, werden wir unsere Rücksichtslosigkeit wieder verlieren müssen, denn der Mittelstand wird sich dann einen Restaurantbesuch nur noch erschwert leisten können oder wollen. Dies wäre eine Tragödie nicht nur für die Gäste, sondern auch für unsere Branche und unsere Gesellschaft. Somit bleiben wir achtsam und versetzen uns im Jahr 2024 immer auch in die Situation des Leistungserbringers, bevor wir die Kritik zu hart ansetzen. Es wäre schade für unsere schöne und gelebte Gastfreundschaft in unserem Lande. Ich wünsche mir, dass es in der Gastronomie so bleiben kann und die Gäste auch die Gastronom*innen mit demselben Respekt behandeln, wie sie selbst behandelt werden wollen.

FABIENNE BALLMER-GERBER
ist Präsidentin der GastroBaselland.
GastroBaselland
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