Zuhören und Brücken bauen

Von Denise Muchenberger

Annina von Falkenstein

Annina von Falkenstein ist nach gut einem Jahr im Basler Grossen Rat dabei, ihre eigene politische Linie zu finden. Die LDP-Grossrätin spricht über ihre Erfahrungen im Parlament und für welche Themen sie sich in Zukunft vermehrt einsetzen möchte.

Was tun, wenn sich die Eltern bei der Übergabe der Kinder am Samstagmorgen eine gefühlte Ewigkeit über Politik unterhalten? Am besten einfach mitreden. «Tatsächlich erinnere ich mich gut, wie ich als kleines Mädchen ungeduldig darauf wartete, bis wir endlich loskönnen. Doch je älter ich wurde, desto mehr beteiligte ich mich an den Gesprächen», sagt Annina von Falkenstein. Sie ist mit Politik und den LDP-Werten gross geworden, denn ihre Mutter Patricia von Falkenstein und ihr Vater Christoph Eymann gehören beide seit Jahrzehnten der Liberal-Demokratischen Partei an. So ist es nicht verwunderlich, dass sie schon als Kind an Parteiversammlungen mit dabei war oder bei Wahlveranstaltungen Kuchen verteilte und so nach und nach ein eigenes politisches Interesse entwickelte. Dennoch war es für sie eine Überraschung, dass sie im Herbst 2020 bei ihrer zweiten Kandidatur für den Basler Grossen Rat ins Parlament gewählt wurde. «Ab dann war allerdings klar: Wenn, dann mache ich das richtig. Also bin ich von Bern zurück nach Basel gezogen, habe mir hier einen Job gesucht und mich in die parlamentarischen Geschäfte und Abläufe eingearbeitet.»

Auf Debatte folgt Kaffee
Mittlerweile gehört sie drei Kommissionen an, reicht immer wieder Vorstösse ein und vernetzt sich über die Parteigrenzen hinaus. «Ich sehe mich als Vermittlerin und Brückenbauerin. Ich habe ein inklusives Denken, möchte, dass man auch bei verschiedenen Meinungen einander zuhören und gemeinsam an einem Tisch sitzen sollte. So erhoffe ich mir, dass ich auch gehärtete Fronten etwas aufweichen und womöglich neue Allianzen schaffen kann», sagt sie. Einander zuhören findet Annina von Falkenstein zentral, denn «gehört zu werden, tut gut», sagt die Baslerin, die in ihrem Job als Personalverantwortliche eines jungen Basler Gastro- Unternehmens genau das versucht: zuzuhören und dann die richtigen Menschen miteinander zusammenzubringen, sie in ihren Stärken und Potenzialen zu fördern. Auf dem politischen Parkett sei das nicht immer so einfach umzusetzen, gibt sie lachend zu, aber: «Ich bin doch überrascht, dass es ausserhalb des Ratszimmers immer ein respektvolles Miteinander ist. Egal, was man sich in einer hitzigen Debatte gegenseitig an den Kopf geworfen hat, danach trinkt man einen Kaffee zusammen und gut ist’s.»

Das erste Jahr im Grossen Rat sei für sie lehrreich gewesen und habe ihr gezeigt, dass es in der Politik eben auch darum geht, sich abzugrenzen und nicht alles persönlich zu nehmen. «Wie oft hiess es: Die ist doch nur wegen dem Namen im Grossen Rat? Auch E-Mails mit Anfeindungen haben mich nachdenklich gestimmt, nachdem ich Vorstösse eingereicht hatte. Das muss man aber aushalten können und gehört dazu, wenn man sich politisch exponiert», sagt sie. Gespräche mit Familienmitgliedern – auch ihr jüngerer Bruder Benjamin ist in der LDP – und mit Freunden haben ihr geholfen, sich darauf zu konzentrieren, dass sie als Grossrätin etwas bewegen könne. Dazu brauche es eben auch mal ein dickes Fell. «Trotzdem möchte ich mir meine Grundeinstellung zum Leben, meine positive und offenherzige Art erhalten. Ich glaube einfach an das Gute im Menschen.» Ausserdem wolle sie sich noch etwas Zeit geben, um ihre politische Linie zu finden. In naher Zukunft möchte sie sich für die Themen Gleichstellung und Weiterbildung engagieren. «Es gibt da noch einiges zu tun und ich werde meinen Blick eher auf die kleinen Missstände richten, anstatt in den Gesetzestexten zu wühlen. Es gibt noch zu viele Regulierungen und Gesetze in Basel-Stadt, die für kleine Unternehmen und Start-ups verhindernd und geschäftsschädigend sind.» Da gelte es, dranzubleiben, mit den KMU den Austausch zu suchen und auch eine gewisse Hartnäckigkeit an den Tag zu legen.

Mutige Pioniere gefragt
Das Thema Gleichstellung liegt ihr ebenfalls am Herzen. «Da hoffe ich auf mutige Pioniere, die auch Frauen vermehrt in Kaderfunktionen holen, ohne dass sie dabei eine bestimmte Frauenquote vor Augen haben.» Denn letztendlich gehe es darum, was eine Person leiste, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Herkunft. Natürlich erfordere dies ein Umdenken und neue Strukturen mit Teilzeitpensen, aber genau das sei für ein Unternehmen wichtig, um die sich wandelnde Gesellschaft mit topausgebildeten Frauen in ihre Strategie zu inkludieren. «Veränderungen erfordern immer Mut und bedeuten ein Risiko, aber bringen auch so viele neue Chancen, Inspiration und Wirkungsfelder.» Auch für den zweiten Bildungsweg macht sich die LDP-Grossrätin stark, denn sie beobachtet, dass Karrieren heutzutage nicht mehr linear verlaufen – und auch ältere Menschen die Möglichkeit auf eine Zweitausbildung haben sollten.

Mittelweg finden
Wenn Annina von Falkenstein neben Job und Politik noch Zeit findet, pflegt sie ihre Freundschaften, macht Yoga, geht Joggen oder kümmert sich um das Gemüse, das sie auf ihrem Balkon anpflanzt. Nach dem ersten Jahr im Grossen Rat hat sie auch gemerkt, woran sie noch arbeiten möchte. «Wichtig
ist, dass ich mich nicht verzettle und einen gesunden Mittelweg finde, lerne, auch mal Nein zu sagen, wenn es beispielsweise um eine weitere Kommission geht.» So möchte sie sich die Energie wahren für die kommende Zeit als Grossrätin, aber auch für ihre berufliche Karriere. «Natürlich mache ich mir Gedanken, wie es weitergehen könnte. Wenn ich in zwei Jahren wiedergewählt werden würde, wäre das eine schöne Bestätigung für mich.» Und dann? «Dann schauen wir weiter! Das Bild als Regierungsrätin habe ich aber definitiv noch nicht vor mir», sagt sie lachend.

Annina von Falkenstein über …

… ihr Lieblingsquartier: Im Gellert gross geworden, verbinde ich natürlich viele schöne Erinnerungen mit dem Quartier. Nun habe ich aber das Gundeli kennen- und schätzen gelernt, wo ich seit meiner Rückkehr aus Bern wohne. Ich finde hier alles, was ich brauche, das multikulturelle Miteinander ist spannend und die Nähe zum Bahnhof ein Pluspunkt. So kann ich auch mal den Zug nach Bern oder Zürich nehmen und etwas Abstand zu Basel gewinnen.

… ihren Lieblingsverein: Der Tennisverein Casino im Gellert hat mir viele schöne Sommer beschert. Nicht immer stand der sportliche Ehrgeiz im Zentrum, aber ich habe es genossen, dass wir nach den Turnieren bei einem Grill zusammensassen und alle mitgeholfen haben, dass es schöne Abende wurden. Ein toller Verein mit tollen Menschen!

… ihr Lieblingsgeschäft: Als Kind sorgte der Franz Carl Weber in der Freien Strasse bei mir für leuchtende Augen. Heute kann ich im «L’Ultimo Bacio» an der Güterstrasse richtig viel Geld liegen lassen. Es ist ein Bioladen, der auch mir als Veganerin eine tolle Auswahl an Lebensmitteln bietet. Das vegane Pain au Chocolat – einfach himmlisch!