Blick in die neuen Arbeitswelten

von Georg Lutz

Thomas Krieg ist Regional Director Alps bei VMware

Noch immer beherrschen die klassischen Grossraumbüros die Szenerie und die dementsprechenden Bürotürme werden immer noch gebaut. Ob man sie in Zukunft auch wirklich braucht, ist aber fraglich. Unsere Arbeitsplätze sind zunehmend an verschiedenen Orten und sehr unterschiedlich ausgestaltet. Die zentrale Frage lautet hier, wie wir das alles organisatorisch geregelt bekommen.

PRESTIGE BUSINESS: Das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern war schon immer ein Spannungsverhältnis. Die Gratwanderung pendelte und pendelt zwischen Vertrauen und Kontrolle. Was hat sich mit der Corona-Pandemie verändert?

Thomas Krieg: Grundsätzlich geht der Trend in Richtung hybride Arbeitsmodelle und work from home. Diese Entwicklung ist schon vor der Pandemie eingeleitet worden und die Corona-Situation hat sie massiv beschleunigt. Viele Umstellungsprozesse waren dementsprechend einschneidend. Nun stellt sich die Frage, wie die Effektivität und Produktivität von Mitarbeiter*innen noch zu messen sind und kontrolliert werden können. Vermehrt sind Mitarbeitende von einem Tag auf den anderen ins Home Office gewechselt. Dazu haben diverse Umstellungen in der Arbeitsform stattgefunden – beispielsweise mussten 86 Prozent der europäischen Unternehmen Massnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Mitarbeiter*innen geschützt sind und produktiv bleiben. Neben organisatorischen und prozessorientierten Veränderungen wurden auch technische Aktionen ergriffen.

Die Schnittstellen zwischen IT-Sicherheit und HR-Massnahmen können dabei problematisch sein.

Ohne Frage muss man zwischen IT-Sicherheit und HR unterscheiden. Viele haben dann problematische Handlungsoptionen gewählt, indem sie Überwachungssoftware installiert haben, um zu kontrollieren, wie viele E-Mails geschrieben wurden. Video-Call-Überwachung und Web-Browser-Tracking sind weitere Stichworte. Über drei Viertel der Belegschaft bestätigen, dass ihre Leistung verstärkt bewertet und kontrolliert wurde.

 Die Frage ist zudem: Was genau wird hier bewertet?

Vom klassischen physischen Präsenzbetrieb hat man sich eigentlich verabschiedet. Mitarbeiter*innen zu messen und zu überwachen birgt grosse Gefahren. Wenn man dies eins zu eins im Rahmen von Produktivitäts-Monitoring-Tools umsetzt, bei denen man die Aktivität und Präsenzzeit am Computer misst, bewirkt dies keine Verbesserung, sondern eher das Gegenteil. Aufseiten der Mitarbeitenden entsteht der Eindruck von Misstrauen, was zu Demotivation und Abgängen oder zu innerer Emigration führt. Das Vertrauen steht an oberster Stelle. Die Verantwortlichen messen nur das, was wirklich notwendig ist, um die gewünschten Resultate zu erzielen, und bilden das transparent ab.

Die Organisation im Home Office, ohne sich zu verzetteln, ist eine Herausforderung. Welche strategischen Schritte empfehlen Sie?

Hybride Arbeitsmodelle sind inzwischen Alltag. Erfolgreiche Unternehmen arbeiten verstärkt mit konkreten Zielvereinbarungen, die für Arbeitnehmer*innen entsprechend ihren Affinitäten zu erreichen sind. Manager*innen setzen jetzt viel stärker auf Sync-Calls, nehmen sich mehr Zeit für den Austausch und unterstützen die Mitarbeiter*innen: Hast du erreicht, was du dir vorgenommen hast? Sind wir auf Kurs? Solche Fragen sind in der physischen Welt eher untergegangen. Manager*innen nehmen sich mehr Zeit, um sich mit ihren Mitarbeiter*innen auszutauschen. Das schafft Vertrauen und Motivation. Und in solchen Gesprächen kann man dann auch transparent erklären, warum gewisse Dinge besser physisch ablaufen oder warum Tracking sinnvoll sein kann. Wenn dies den Mitarbeiter*innen klar und ersichtlich ist, sind auch keine negativen Auswirkungen zu erwarten. Wenn Mitarbeiter*innen nicht einmal wissen, was gemessen oder überwacht wird, sind negative Erfahrungen vorprogrammiert.

Die Mitarbeit im Team, der direkte analoge Kontakt und der Ablauf sind wichtige Punkte. Leidet dies nicht im Home Office und im Rahmen des hybriden Arbeitens?

Unsere Studie kam hier eher zu einem gegenteiligen Schluss – vorausgesetzt, man organisiert es richtig. Die meisten Mitarbeiter*innen, nämlich 75 Prozent, gaben an, dass sich ihre persönlichen Kontakte zu Kolleg*innen sogar verbessert haben. 67 Prozent fanden, dass sich die Zusammenarbeit in der Organisation verbessert hat, und 61 Prozent fühlen sich auch eher über die Möglichkeit zur Remote-Arbeit wertgeschätzt. Ich denke, es geht wirklich darum, dass man mit der Zielvereinbarung Teams so organisiert, dass sie in einem regelmässigen Austausch stehen. Die Kommunikationskanäle sind heute vielfältig. Das Meeting läuft über Zoom und die schnelle Frage läuft über WhatsApp. Der Rahmen ist immer gesetzt. Es geht um gemeinsame Ziele oder Produktivitätsoutputs. Auch internationale Interessensgruppen oder Stakeholder sind besser erreichbar. Über eine physische Infrastruktur funktioniert das erschwerter. Verantwortliche müssen den Austausch immer wieder dynamisch je nach Projekt neu formatieren. Wenn man also die organisatorischen und technischen Mittel dazu hat, kann eigentlich sehr viel Positives entstehen.

Dann muss es wirklich sehr gut organisiert sein, auch von der menschlichen Seite her, damit die Mitarbeiter*innen zufrieden sind. Es fehlen ja die atmosphärischen Begegnungen wie Messen, Essen oder schlicht der kurze Plausch am Kaffeeautomat.

Das sehe ich auch so. Es geht hier nicht um Schwarz-Weiss-Modelle. Es geht immer um hybride Modelle, die mehr oder weniger in eine Richtung ausschlagen. Viele Unternehmen ändern ihre Office-Strukturen von einer Präsenz-Infrastruktur und einem fixen Arbeitsplatz zu Collaboration-Sites, wo man spezifisch in Gruppen etwas erarbeiten und nonverbale Dinge adressieren kann. Man hat auch hier die Möglichkeit, sich remote einzuwählen, wenn man zum Beispiel aufgrund von Reiserestriktionen nicht teilhaben kann. Das Ideal ist ein Hybrid-Modell mit zielorientiertem Fokus. Das bringt dann einen echten Mehrwert.

 Die klassischen Grossraumbüros haben so keine Perspektive mehr?

Es wird mehr Shared-Office-Situationen geben, aber es braucht immer noch Bürogebäude zum Beispiel für grössere Meetings. Aber eben nicht diese Infrastruktur, die man die ganze Zeit voll halten muss, weil sie heute einfach nicht mehr ausgenutzt wird. Es gibt viele Unternehmen, die den Raumbedarf reduzieren und das Konzept verändern. Es geht um mehr flexible Arbeitsplätze und Meetingräume. Es gibt sicher Kernfunktionen, die man im Office halten muss. Das ist auch dann der Fall, wenn man im Office eine Produktionslinie betreibt.

Haben wir in den eigenen vier Wänden jetzt eine Bürolandschaft und wirkt das klassische Büro gleichzeitig viel wohnlicher?

Ein Trend besteht darin, dass man die Büros zu Begegnungsstätten umbaut, mehr Socializing Environment wie bei LinkedIn in München oder auch bei uns bei VMware. Es geht um grössere Küchen, die wohnlicher aussehen, bequemere Sitzgelegenheiten und vielleicht auch einen Billardtisch. Man will zusammenkommen, aber nicht, um nebeneinander am Bürotisch zu sitzen, sondern eher um kreativ zu arbeiten. Wir verlangen als Unternehmensverantwortliche den Leuten viel ab, wollen eine hohe Produktivität erreichen, dafür sollen sich die Mitarbeiter wohlfühlen.

Ist das auch für kleinere Unternehmen umsetzbar?

Ich glaube, wir sind in einer Lernphase, in der die Infrastruktur auch sukzessive ausgebaut werden kann. Shared Offices, durch die man sich bei Bedarf in Räume einmieten kann, sind schweizweit verbreitet. Wir selbst werden auch mit unseren 90 Mitarbeiter*innen eine neue Infrastruktur aufbauen. So sind wir auf die Städte Bern und Zürich und auf die Westschweiz verteilt. Das eröffnet uns neue Möglichkeiten, zu einem gleichbleibenden oder vielleicht sogar geringeren Preis eine verteilte Infrastruktur zu etablieren und diese deutlich bedarfsorientierter zu nutzen. Wichtig ist, dass die Mitarbeiter*innen die Möglichkeit haben, flexibel und sicher von überall in der digitalen Community zu partizipieren und das gleiche Erlebnis zu haben. Sie oder er kann mit dem Device arbeiten, wo und wie sie oder er will – das ist das Wichtige. Je näher das digitale dem physischen Erlebnis rückt, zum Beispiel mit Metaverse, desto weniger spielt die Location eine Rolle.

 

Hinkt der Mensch bei dieser Umstellung den technischen Möglichkeiten nicht immer hinterher?

 Ich spüre grosse Akzeptanz, da man beispielsweise keine Stunde Arbeitsweg mehr in Kauf nehmen muss, trotzdem produktiv oder noch produktiver als vorher sein kann und sehr viele Arbeitswege und/oder Reisen überflüssig werden, die es vorher vielleicht auch schon waren. Und das wird nun von einer Mehrheit der Angestellten auch anerkannt. Im Gegenteil, man will die Entwicklung selbst vorantreiben. Hier bietet sich auch die Möglichkeit an, Mitarbeiter*innen in Form von neuen Talenten in das Unternehmen einzubinden. Zum Beispiel geht es um Mitarbeitende aus dem Ausland, die man vorher gar nicht integrieren konnte. Dies ist eine Riesenchance. Das Stichwort Lokalisierung bekommt eine neue Dimension.

 

 

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