Vom Spieler zum Trainer

von Swenja Willms

© Elias Meier / FC Basel 1893

Mario Cantaluppi, sowohl Spieler von 303 Partien als auch langjähriger Jugendtrainer, hat den Fussballverein FC Basel zu seiner zweiten Heimat gemacht. Im Interview teilt der ehemalige U19- und jetzige U21-Trainer seine Erfahrungen, gibt einen detaillierten Einblick in den Trainingsplan und die
Herausforderungen der verschiedenen Altersgruppen und reflektiert über die Veränderungen im Fussball, insbesondere im Umgang mit der neuen Generation von Spielern.

GESCHÄFTSFÜHRER*IN BASEL: Herr Cantaluppi, Sie haben sich mit Leib und Seele dem FCB verschrieben. Als Spieler haben Sie 303Partien bestritten, vor fünf Jahren kamen Sie dann als Trainer für die U17 zurück. Was begeistert Sie so an dem Verein?
Mario Cantaluppi: Die Leidenschaft und die Emotionen der Fans beeindrucken mich. Ausserdem ist Basel seit über 20 Jahren meine Heimat. Die Nähe zu Deutschland und die Passion der Deutschen gegenüber dem Fussball ist hier stark spürbar. Der Sport ist meine Leidenschaft und hält mich jung.

Sie waren lange selbst Spieler beim FCB. Was hat sich beim Wechsel vom Spieler zum Trainer verändert?
Im Fussballverein erlebt man als Trainer vor allem den organisatorischen Aufwand und die Befehlsstruktur. Dies erfordert Eigeninitiative, besonders mit der heutigen Jugend, die ich jedoch sehr schätze. Als Jugendtrainer müssen wir uns den erschwerten Bedingungen anpassen und uns selbst neu erfinden. Die Jugend von heute erwartet klare und kurzweilige Informationen. Alte Methoden funktionieren nicht mehr, man muss mit der Zeit gehen und sich ständig weiterentwickeln

«Die Erfahrung, sich mit den Besten zu messen, ist entscheidend für die Entwicklung, selbst wenn es zu Niederlagen kommt.»

Hat der Umgang mit der neuen Generation auch Auswirkungen auf den Trainingsplan?
Ja, besonders im Umgang mit Stress. Mit 16 durfte ich ein Pilotprojekt durchführen, das die Balance zwischen Schule und Fussball einführte, was heute üblich ist. Der Stresspegel der heutigen Spieler ist enorm, besonders durch die schulischen Anforderungen. Ihre Wochenpläne zeigen minimal Freizeit, oft nur von halb neun bis zehn Uhr abends. Das Novemberloch mit vielen Prüfungen, den FC-Basel-Anforderungen und Leistungen stellt eine extreme Herausforderung dar. Ich persönlich stosse bereits an meine Grenzen in Bezug auf Social Media und die äusseren Einflüsse, doch was gilt für die 14-, 15-, 16-Jährigen? Es ist wichtig, mit den Spielern ein Gleichgewicht zu finden und gleichzeitig traditionelle Werte aufrechtzuerhalten. Ich bin streng in Bezug auf die Handynutzung im Training, besonders hinsichtlich des Stressabbaus für die Jungs und auch um den Fokus zu behalten und die gemeinsame Kommunikation zu forcieren. Schmuck wie Ohrringe und Piercings sind aus Sicherheitsgründen verboten. Ausserdem gibt es klare Regeln in Bezug auf Anstand und Werte. Höflichkeitsformen wie Grüezi und Hallo sind ein Muss.

Gehört die Vermittlung solch moralischer Werte auch zu den Aufgaben eines Trainers?
Als Trainer kann man Aufgaben delegieren, aber letztendlich liegt die Verantwortung bei den Eltern selbst. Ich bin überzeugt, dass viel vom Elternhaus geprägt wird. Die Planung
ist vom Fussball komplett getrennt, es gibt klare Vorgaben, und die Vorbereitung ist entscheidend. Viele verstehen nicht, wie viel Zeit und Aufwand für Präsentationen, Matchvorbereitungen, Nachbereitungen, Gegneranalysen und Trainingsorganisation benötigt wird. Der Übergang vom Fussballer zum Trainer dauerte bei mir lange. Ich habe mich lange nur als Fussballer gefühlt, habe mehr gespielt und meine Trainerrolle weniger wahrgenommen. Auch heute ist mir wichtig, eine gewisse Nähe zu den Spielern zu bewahren, aber eine gewisse Distanz muss man trotzdem halten.

Vermissen Sie manchmal noch das Spielerdasein?
Ja, vor allem im Sommer, wenn der Rasen schön ist (lacht). Fussball war für mich auch stets ein Ventil, um Unmut und Aversionen abzulassen. Ansonsten vermisse ich den Fussball nach fast 550 Spielen nicht. Ein vereinzelter Energieschub fehlt mir, aber nicht der Stress.

Gab es Trainer oder Fussballphilosophien, die einen Einfluss auf Ihre eigene Herangehensweise an das Coaching haben?
Während ich einige Trainingsmethoden und Athletikansätze aus meiner eigenen Spielerzeit übernehme, hat sich die Trainingskomplexität seitdem erheblich weiterentwickelt.
Ich ziehe Erfahrungen aus den verfügbaren Trainingszeitfenstern und Übungen, insbesondere im Hinblick auf die Integration von der Athletik. Doch besonders wichtig sind für mich die sozialen Kompetenzen und die Empathie, die ich von verschiedenen Trainern in meinen 25 Jahren im Fussball mitgenommen habe. Spass, Coolness und gleichzeitig eine
gewisse Seriosität sind Aspekte, die ich im Training betone und weitergebe.

Seit 2016 waren Sie verantwortlich für die U19. Wie würden Sie die bisherige Saison für die U19 des FC Basel zusammenfassen?
Viele Spieler der aktuellen U19-Mannschaft kenne ich bereits durch meine Zeit als Trainer der U17. Der aktuelle 2005erund 2006er-Jahrgang, die fortgeschrittensten Spieler, sind
bereits in der U21 und agieren wie Erwachsene. Die Youth League läuft gut, mit mehr U21-Spielern, und die Mischung aus 19- und 21-Jährigen funktioniert. Obwohl die erste
Mannschaft gerade Schwierigkeiten hat, integriert Trainer Fabio Celestini die jungen Spieler. Die Jugendabteilung ist momentan in guter Verfassung, trotz der aktuellen Schwierigkeiten beim FC Basel.

Gibt es Unterschiede, die man zwischen den verschiedenen Altersgruppen festmachen kann?
Spielerpositionen sind simpel: Es gibt die Besseren und die weniger Besseren, abhängig von Eigeninitiative, persönlicher Klasse und Intelligenz. Die Fähigkeit, Anweisungen zu verstehen und umzusetzen, spielt die entscheidende Rolle. Von 140Spielern schaffen nur Einzelne den Sprung in die Profiliga und richtiges Geld verdient man nur mit wenigen Spielern. Der gesamte Apparat ist in der Schweiz erstklassig und man hofft, mit einem Spieler kontinuierlich Erfolg zu haben.

Fussball ist einerseits sehr abhängig von den individuellen Spielern und andererseits auch ein Teamsport. Wie gestaltet man einen Trainingsplan, der sowohl das Individuelle als auch den Teamgeist fördert?
Für die U15 bis zur U19 sowie die U21 gibt es einen klaren Plan. Am Montag steht Athletik und Mannschaftstraining an, dienstagmorgens wird positionsspezifisch verteidigt und
im Mittelfeld offensiv agiert, dazu erfolgt eine Analyse des Wochenendes und die allgemeine Planung. Donnerstagmorgens findet individuelles Training mit Zukunftsplanung
sowie der Fokussierung auf Stärken und Schwächen statt, wobei die Schwächen, besonders die technischen, betont werden. Zusätzlich gibt es Mannschaftstraining am Dienstagabend,
Donnerstagabend und Freitag. Insgesamt gibt es vier Teamtrainingseinheiten und zwei individuelle Fenster pro Woche, alles sorgfältig durchgeplant und mit einer Mischung von
Themen, vor allem bezogen auf die Spielerpositionen.

Und dieser Plan scheint aufzugehen, denn jetzt dürfen Sie die U21 als Trainer zur UEFA Youth League begleiten. Was bedeutet das für Sie?
Der Vergleich in Wettbewerben ist extrem wichtig, nicht nur als Schaufenster für den Club, sondern auch als Chance für die Spieler, sich zu beweisen. Die Erfahrung, sich mit den Besten zu messen, ist entscheidend für die Entwicklung, selbst wenn es zu
Niederlagen kommt. Das schafft Motivation, um sich zu verbessern. In der Jugendliga, besonders in der Youth Champions League, wird die Herausforderung noch grösser. Für den
Trainer ist es wichtig, sich auch in solchen Situationen zu messen und Lösungen zu finden. Selbst in einer dominierenden Liga können unerwartete Herausforderungen auftauchen, die
das Team und den Trainer vor neue Probleme stellen.

Seit Januar haben Sie die Leitung des ältesten FCBNachwuchsteams, der U21, übernommen. Trennungsschmerz oder Euphorie – was fühlt ihr Herz zurzeit mehr?
Seit dem Beginn meiner Leitung der U21 im Januar erlebe ich eine innere Euphorie, die meine Freude über diese bedeutende Aufgabe widerspiegelt. Der Stolz, die Verantwortung für das älteste FCB-Nachwuchsteam zu tragen, überwiegt jeden Trennungsschmerz – besonders, da viele Spieler aus der U19, die ich bereits kenne, den Sprung in die U21 schaffen werden.

«Als Jugendtrainer müssen wir uns den erschwerten Bedingungen anpassen und uns selbst neu erfinden. Nicht alle alten Methoden funktionieren, man muss mit der Zeit gehen und sich ständig weiterentwickeln.»

Welche Ziele haben Sie mit der U21-Mannschaft?
In Bezug auf meine Ziele mit der U21-Mannschaft strebe ich natürlich in erster Linie an, nicht abzusteigen. Diese grundlegende Zielsetzung ist ein wichtiger Ausgangspunkt, um die
Mannschaft weiterzuentwickeln und in der Liga erfolgreich zu etablieren.

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