«Ein weiterer lockdown wäre verheerend!»

Interview mit Maurus Ebneter von Niggi Freundlieb

Maurus Ebneter, Präsident des Wirteverbands Basel-Stadt.

Laut BAK Economics ist das Basler Gastgewerbe besonders stark von der Corona-Krise betroffen. Vor allem der Wegfall von Fasnacht, Baselworld und Art machte den Hotels, Restaurants und Bars zu schaffen. von einer Normalisierung ist die Branche weit entfernt.

Nach zweieinhalb Monaten Lockdown durften Restaurants wieder öffnen – allerdings unter Auflagen, die einen wirtschaftlichen Betrieb stark erschwerten. Am 6. Juni kam zu Lockerungen, welche aber schon gut zwei Wochen danach zum Teil wieder rückgängig gemacht wurden. Veranstaltungen mit mehr als 100 Personen können nicht mehr in der gewohnten Form durchgeführt werden. Und die Abstandsregeln reduzieren die Kapazitäten der Lokale. Vor allem Betriebe, die stark vom Tourismus oder von Events abhängig sind, leiden enorm. Im Interview mit dem «Geschäftsführer» analysiert Maurus Ebneter, seit Juni 2018 Präsident des Wirteverbands Basel-Stadt, die Lage des Basler Gastgewerbes. Der Wirteverband ist – zusammen mit dem Mieterverband, dem Hauseigentümerverband und dem SVIT beider Basel – Mitinitiator des sogenannten «Dreidrittel-Rettungspakets» für Geschäftsmieter. Ebneter plädiert für weitere Unterstützungsmassnahmen.

«Geschäftsführer»: Haben Sie den Lockdown als richtig empfunden, oder hätte es Alternativen gegeben?
Maurus Ebneter: Es wäre billig, im Nachhinein fundamentale Kritik zu üben. Vielleicht hat der Bundesrat etwas überreagiert, aber das ist verzeihlich. Das Verbot von Grossveranstaltungen war sicher nötig, um die Infektionskurve zu verflachen. Bei einer zweiten Welle hätte ich für ein völliges Herunterfahren allerdings kein Verständnis mehr.

Wie hoch beziffern Sie die Verluste während des Lockdowns? Und wie hoch ist der Einbruch auf das gesamte Jahr 2020?
Von März bis Juli fehlen uns rund 300 Millionen Franken Umsatz. Bis kurz vor dem Lockdown lief es den meisten Betrieben ordentlich bis gut. Während der Schliessung waren nur sehr wenige Gastronomen in der Lage, durch Lieferungen oder Mitnahmeverkäufe Deckungsbeiträge an die Fixkosten zu erzielen. Die Phase nach der Wiedereröffnung bleibt schwierig, auch wenn es einzelne Betreiber gibt, die wieder auf 90 Prozent des üblichen Umsatzes kommen. Nur einem kleinen Teil der gastgewerblichen Unternehmen wird es gelingen, über das ganze Jahr mehr als zwei Drittel des Vorjahresumsatzes zu erzielen.

Wie viele Betriebe waren in Basel-Stadt vom Lockdown insgesamt betroffen?
Alle 900 Gastbetriebe im Kanton! Zwar durften die Hotels offen bleiben, doch hatten sie kaum mehr normal zahlende Gäste. Auch die meisten Betriebskantinen blieben offen, aber sie verkauften wegen des Home Office deutlich weniger. Herkömmliche Restaurants, Cafés, Bars und Clubs blieben zu. Einige Dutzend Anbieter versuchten, den Schaden durch Lieferungen und Take-Away zu mindern.

Um wie viele Arbeitsplätze geht es da?
Umgerechnet auf Vollzeitäquivalente bietet das basel-städtische Gastgewerbe über 7 000 Arbeitsstellen. Insgesamt finden gut 10’000 Personen in unserer Branche Beschäftigung. Darüber hinaus sind einige Tausend Arbeitsplätze in anderen Wirtschaftszweigen von uns abhängig.

Wie viele Arbeitslose könnte die Krise à-la-longue nach sich ziehen?
Solche Voraussagen sind schwierig, weil zu viele Faktoren hineinspielen. Wie lange dauern die Einschränkungen? Wie schnell erholt sich der internationale Reiseverkehr? Wie entwickelt sich vor dem Hintergrund einer weltweiten Wirtschaftskrise das Konsumverhalten? Und nicht zuletzt: Welche Unterstützungsmassnahmen werden noch beschlossen?

Wie viele Betriebe in Basel haben bis jetzt schon das Handtuch geworfen, und wie viele könnten mittelfristig die Krise nicht überleben?
Dank Stundungen, unkomplizierter Kredite, vereinfachter Kurzarbeit, Versicherungsleistungen und des Rettungspakets für Geschäftsmieter mussten bisher nur wenige Betriebe aufgeben. Wenn nicht zusätzliche Unterstützungsmassnahmen beschlossen werden, wird sich das im Herbst und Winter ändern.

Besonders angespannt ist die Situation bei Clubs und Veranstaltungslokalen, wo nach Lockerungen die Schraube wieder angezogen werden musste – welche Lösungsansätze sehen Sie?
Bars, Diskotheken sowie Betriebe mit einem starken Tagungs- und Bankettgeschäft werden kräftig durchgeschüttelt. Clubs erhalten unter bestimmten Voraussetzungen Gelder aus den Kulturtöpfen des Bundes. Das hilft. Vor allem Tourismus- und Event-abhängige Betriebe sind auf zusätzliche staatliche Unterstützung angewiesen: Die Kurzarbeit allein wird hier mit Sicherheit nicht genügen!

Wie hat sich das Dreidrittel-Rettungspaket bewährt?
Die Basler Mietzinshilfe ist in ihrer Höhe und Unkompliziertheit schweizweit einmalig. Für viele Betriebe ist sie sehr bedeutsam. Da die Einschränkungen und die Nachfrageschwäche noch länger andauern, wird es aber leider nicht reichen.

Wo könnte das Dreidrittel-Rettungspaket nachgebessert werden? Soll es verlängert werden?
Die Vermieter haben ein Interesse, Leerstände zu verhindern. Deshalb werden viele von ihnen zu weiteren Konzessionen bereit sein, wenn der Staat ihren Beitrag verdoppelt. Um politisch eine Chance zu haben, muss ein zweites Paket sich auf Betriebe beschränken, die vor dem Lockdown gesund waren und seit der Wiedereröffnung nicht mehr auf Touren kommen.

Wie viele Betriebe haben das Dreidrittel-Rettungspaket bisher in Anspruch genommen?
Die Anmeldefrist läuft Ende September ab. Wir rechnen mit 2 000 Geschäftsmietern, die das Paket in Anspruch nehmen werden. Davon dürfte ein Viertel aus dem Gastgewerbe kommen.

Wie viele Betriebe in Basel-Stadt haben Kredite für die Überbrückung von Corona-bedingten Liquiditätsengpässen durch Banken in Anspruch genommen?
Dazu haben wir keine Zahlen. Wir gehen davon aus, dass mittlerweile fast alle Betriebe auf Notkredite zurückgreifen mussten.

Wie viele Betriebe haben Kurzarbeit beantragt?
Während des Lockdowns fast alle. Viele haben nach wie vor Kurzarbeit, sind aber in der Lage, die Pensen zu verkleinern. Ohne Kurzarbeitsentschädigungen hätten wohl schon sehr viele Unternehmen die Segel streichen müssen! Kurzarbeit ist für die Arbeitgeber jedoch nicht gratis: Die Ferienguthaben sowie die Arbeitgeberbeiträge für die Pensionskasse und die Familienausgleichskasse gehen ins Geld.

Wie beurteilen Sie die Situation: Kommt die berüchtigte zweite Welle, ist sie schon im Anmarsch und was wären die Konsequenzen?
Ich weiss nicht, ob es eine zweite Welle geben wird. Klar ist aber, dass eine Wiederholung des kompletten Lockdowns verheerende Folgen hätte. Die Behörden müssen sorgfältig abwägen. Überlassen wir das Feld einzig den Epidemiologen, sind soziale und wirtschaftliche Aspekte ausgeblendet. Es mag sinnvolle Massnahmen geben, um eine erneute Infektionsausbreitung zu verlangsamen. Dazu gehört es, Grossveranstaltungen abzusagen und die Altersheime zu isolieren. Noch einmal Schulen, Kulturbetriebe, Flughäfen, Restaurants und die meisten Geschäfte zu schliessen, wäre aber irrational und unverhältnismässig.

Wird sich das Gastgewerbe durch die Corona-Pandemie dauerhaft verändern?
Der Digitalisierungsschub wird sich auf den Tourismus und das Gastgewerbe auswirken. Die Zunahme von Videokonferenzen und hybride Kongressformate werden den Reiseverkehr verändern, während vermehrtes Home Office das Mittagsgeschäft in den Städten beeinträchtigt. In den Innenstädten kommen die Mieten unter Druck. Die Skepsis gegenüber einer überbordenden Globalisierung wird den Trend zu regionalen Produkten verstärken. Take-Away und Delivery werden endgültig auch von konventionellen Gaststätten als zusätzliche Absatzkanäle genutzt.