Eine köstliche Liaison

von Anka Refghi

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Schon längst sind Mode und Kulinarik nicht mehr zu trennen. Dolce & Gabbana
verschönern Küchengeräte, Laufstege werden zu Grossküchen, und das italienische Traditionshaus Missoni gibt ein Kochbuch mit Familienrezepten heraus.

Nichts scheint unsere Gesellschaft mehr zu bewegen als gutes Essen. Kochshows, Kochbücher und Food-Trends bestimmen das tagtägliche Blätter- und Medienprogramm und beflügeln eine Dynamik des Wohlgefühls. Getragen von jungen Menschen, ­ihres Zeichens die wohl gesundheitsbewussteste Generation seit Menschengedenken, die Chia-Samen Zigaretten vorziehen, Pilates der Bar und ­Bootcamps den Clubnächten. Und noch etwas scheint das Gesellige zu befeuern – die Globalisierung. Denn diese lenkt das Augenmerk wieder auf die Familie und das Beisammensein im geschützten heimischen Rahmen. Und schon längst hat man erkannt: Liebe geht durch den Magen, Luxus aber auch. Damit liegt die Marketing-­Codierung auch gleich auf der Hand: Füge deiner Marke eine soziale Dimension hinzu, und sichere dir einen Platz im (Familien-)Herz deiner Kunden.

Stilerlebnis Küchengerät
In der Folge gibt es mittlerweile kaum mehr einen Bereich, der sich nicht eine Schnittmenge mit dem Lukullischen teilt. So beispielsweise spannte  2015 das italienische Designer-Duo Dolce & Gabbana mit dem Hausgerätehersteller Smeg zusammen und lancierte Kühlschränke der Luxusklasse. Das Hausgerät als Stilerlebnis. Die Produkte mit von Sizilien inspirierten und handbemalten Dekors waren von solch durchschlagendem Erfolg, dass nach Toaster, Zitruspresse und Wasserkocher in diesem Jahr gleich noch ein imposanter Herd nachgelegt wurde. Doch nicht nur Dolce & Gabbana, auch Fendi mischt in der Küchenwelt ganz weit vorne mit und präsentierte anlässlich des diesjährigen «Salone del Mobile  2018» in Mailand die «Fendi Cucine». Von Architekt Marco Costanzi entworfen, präsentiert das italienische Traditionshaus alles, was das vom Luxus verwöhnte Herz begehrt – von Küchen­inseln bis zu Weinkühlschränken. Und so ist es dann auch nicht weiter verwunderlich, dass Marken wie Gucci, Burberry, Ralph Lauren oder auch Armani gleich mit eigenen Restaurants und Cafés aufwarten, Letzterer sogar mit eigens kre­ierter Schokolade, den «Armani Dolci».

Runway Party
Symptomatisch für unsere Zeitqualität sind dann auch die Fashion­shows. In Szene gesetzte Kulinarik sozusagen. So präsentierte Gabriela Hearst im vergangenen Februar ihre Herbstkollektion 2018 im New  Yorker Café «Altro Paradiso» an der Spring Street. Statt der gewohnten Szenerie mit einem von Bänken und Stühlen gesäumten Laufsteg wurde den Zuschauern während der Show an den Tischen das Mittagessen serviert. «Kleidung zu entwerfen», so die Designerin aus Uruguay, «ist sehr ähnlich wie Kochen – man muss die richtigen Zutaten haben.» Doch nicht nur Hearst bediente sich des vom Essen inspirierten Flairs, auch die englische Designerin Molly Goddard tat es. Gleich zwei Mal sogar. 2017 präsentierte diese ihre Herbstkollektion in der Tate Modern, wo sich ihre Models an üppig gedeckten Tischen mit Kerzen, Obst und Wein so malerisch verlustierten, dass die Szenerie einem jeden Stillleben-Gemälde früherer Meister Konkurrenz machte. Für ihre diesjährige Herbstkollektion verwandelte sie den Laufsteg in eine Grossküche, was auf der Idee des vielfach bekannten Phänomens basierte, dass sich an beinahe jeder Party die Gesellschaft am Ende in der Küche wiederfindet.

Die gemeinsame Sprache
Einen geschickten Schachzug auf dem Parkett der sozialen Mode­inszenierung machte auch Francesco Maccapani Missoni, seines Zeichens Nachkomme der gleichnamigen Modedynastie: Mit «The Missoni Family Cookbook» veröffentlichte dieser ein Buch mit über Generationen hinweg weitergegebenen Familienrezepten. Mit Illustrationen und Fotografien, die das familiäre Beisammensein und köstliche Vorschläge zwischen zwei Buchdeckeln dokumentieren. Ebenfalls auf Papier gebannten Genuss bietet auch das Buch «Food in Vogue», in dem die auffälligste und köstlichste Food-Fotografie und das beste Food-­Writing zusammengefasst sind. Ob mit Essays des langjährigen «Vogue»-­Lebensmittelkritikers Jeffrey Steingarten, Beiträgen von aufstrebenden Food-Autoren wie Tamar Adler und Oliver Strand oder Porträts von weltberühmten oder aufstrebenden Köchen mit ikonischer Food-­Fotografie, die grösstenteils von Irving Penn aufgenommen und von Redakteurin Phyllis Posnick konzipiert wurde. Doch auch «Food in Vogue» ist, wie alle anderen Inszenierungen unserer Tage, mehr als nur ein Buch über Lebensmittel: Es ist ein Zeitzeuge einer universellen Sprache, die Menschen rund um den Globus eint: das gemeinsame Speisen.